„Die Klima-Erwärmer“ | Tage bei der Deutschen Schülerakademie

14 Tage und 60,369 t CO2 für die Nachhaltigkeit. Die Deutsche Schülerakademie – ein Erfahrungsbericht

15. August 2009, 10:30, historisch-ökologische Bildungsstätte Papenburg. Unser letztes Plenum beginnt. 87 der ehemals 90 Teilnehmer und alle 16 Leiter sind anwesend. Die restlichen drei Teilnehmer mussten leider schon früh am Morgen die Schülerakademie verlassen. Wir beginnen mit dem Singen unseres Akademie-Songs, der zur Melodie von „Mein kleiner, grüner Kaktus“ passte und den wir erst am Abend zuvor, dem Abschlussabend, von einer Teilnehmerin präsentiert bekamen. Es werden letzte organisatorische Dinge besprochen, die Akademieleitung bedankt sich bei uns. Es gibt stürmischen Beifall. Jedem hatte es gefallen, die zwei Wochen unter Gleichgesinnten zu verbringen. Gleichgesinnt? Motiviert, interessiert, begeistert. Sowohl von der Idee Nachhaltigkeit, als auch von der Akademie selbst.

Die Akademie, die ich besuchte, hatte das Oberthema „Nachhaltigkeit mit Fokus auf Klimawandel und die Globale Erwärmung“. Allerdings hat nicht jede Schülerakademie ein Oberthema, unsere Akademie war also etwas ganz besonderes. Die zwei Wochen verbrachten wir mit Kurszeiten, Oberthema-Aktivitäten, kursübergreifende Aktivitäten oder einfach nur mit Genießen der Stimmung, Landschaft und der Menschen. Es gab auch zwei Vorträge von Forschern und Exkursionen zu Instituten, Windparks, der Meyer-Werft und anderen interessanten Orten.

Der Hauptschwerpunkt lag wohl auf den Kurszeiten. Ein bis zweimal am Tag drei Stunden Kurs zu einem bestimmten Thema. Es gibt auf jeder Akademie sechs verschiedene Kurse, von denen zwei naturwissenschaftlich, zwei geisteswissenschaftlich und zwei künstlerisch-musisch orientiert sind. Ich war im Kurs „Erdsystemmodellierung – Die Welt im Computer“. Wir hatten in Rücksprache mit unseren Kursleiter Vorträge vorbereitet, mit denen wir die erste Hälfte der Kurszeit verbrachten. In der zweiten Hälfte ging es darum, selber tätig zu werden. Wir haben zwar leider keine Erdsysteme modelliert (dafür hätten wahrscheinlich nicht einmal zwei Monate gereicht), aber wir haben zum Beispiel Wärmeleitung oder Oszillation modelliert und simuliert. Allerdings lief es in den anderen Kursen teilweise auch komplett anders ab. Zu Ende der Akademie haben wir noch unser Kursgeschehen zusammengefasst in eine Dokumentation geschrieben, die von Freiwilligen gesetzt wird und uns dann nächstes Frühjahr per Post in gedruckter Form erreicht. Die gesamte Akademie zum Nachlesen.

Die Oberthema-Aktivitäten gab es bei unserer Akademie, weil wir ein Oberthema hatten; aber wie schon beschrieben, ist das nicht immer so. Diese Aktivitäten sollten unser Wissen aus den verschiedenen Kursen zusammentragen und für ein praktisches Ziel brauchbar machen. Von kreativen Dingen wie der Gestaltung einer Werbekampagne über politische Dinge wie die Maßnahmen zum Erreichen der CO2-Emissionsverringerung um 80% bis 2050 oder ethischen Dingen wie das Problem Fleischkonsument, Vegetarier, Veganer. Bei unserer Präsentation haben wir unsere Ideen den etwa 100 interessierten Emsländern präsentiert.

Kursübergreifende Aktivitäten ist auf Schülerakademien der Name für Freizeit. Obwohl ich vorher eigentlich erwartet hätte, dass jeder sich in eine Ecke verzieht und sich entspannt, gab es ganz viel zu tun. Tanzen, Volleyball, Lagerfeuer und gemeinsames Singen am Steg des hauseigenen Sees, Chor, Orchester, Kicker, Skat- und Doppelkopfrunden, Gute-Nacht-Geschichten, Sternbeobachtungen und gemeinsames Rumsitzen, um nur ein paar zu nennen.

Als der Beifall nach einigen Minuten langsam abebbt, präsentiert der Chor noch ein letztes Mal einen der einstudierten Titel: Hallelujah (unter anderem bekannt durch den Film Shrek). Bei der letzten Präsentation am vorherigen Abend war ja noch alles in Butter, die Nacht schien noch lang, und die Zeit konnte einfach nicht vorüber sein. Aber nun, da die Abreise nach dem Mittagessen immer näher rückt, überkommt es viele von uns. Und nach Ende des Titels steht der Chor noch einige Minuten in Stille oder in Tränen vor uns. Als unsere Akademieleiterin schließlich nach scheinbar endloser Zeit die Stille unterbricht, bekommen wir unsere Teilnahmebestätigungen und begeben uns zu unserem letzten Mittagessen.

Während des Mittagessens wird die Akademieleitung wiederum unter stürmischem Beifall von den Kursleitern durch die Mensa getragen. Nach und nach wird es immer stiller im Haus. Immer mehr verlassen die Akademie. Die Meisten in Richtung Bahnhof. Es fließen viele Tränen, verdammt viele Tränen. Und – ich glaube, das geht nicht nur mir so – die zwei bisher schönsten Wochen meines Lebens nehmen ihr Ende.

Inzwischen ist einige Zeit vergangen und man hat sich wieder an das doch so andere Alltagsleben gewöhnt. Ich habe schon ein paar Leute wiedergesehen. Und alle, wirklich alle Teilnehmer waren faszinierende Individuen. Aber ich muss ganz ehrlich zugeben: Nicht einmal nach den 14 Tagen kannte ich alle Namen. Es waren einfach zu viele nette Menschen dabei. Mit jedem davon hätte man die zwei Wochen prima alleine verbringen können. Nur – es waren 90 davon. Man fand immer jemanden, um Karten zu spielen, um herumzublödeln oder irgendwelchen Unsinn zu treiben. Man konnte mit ihnen Nächte durchmachen, draußen schlafen oder eine Stunde früher aufstehen, um laufen zu gehen. Aber genau so gut waren eben diese Leute immer dazu zu haben, eine tiefgreifende, philosophische Diskussion zu führen, sich kritisch mit Politik, Wirtschaft und Weltgeschehen auseinanderzusetzen, einfach mal ein bisschen unter vier Augen zu reden oder sich anzuschweigen.

Was ich an der Akademie am Besten fand? Die Menschen. Gleichgesinnte.

Zu Ende der Akademie bekamen wir alle ein T-Shirt, auf dem unsere Namen stehen. Die Überschrift: Die Klima-Erwärmer. Die Unterschrift: 60,369 t CO2. Präsentiert mit nachhaltigen Vorschlägen für uns alle und unsere Herberge, unser Leben noch klimafreundlicher zu gestalten. Dem Klima zuliebe.

Malte Rödl